Milchsäurebakterien

Der Begriff Milchsäurebakterien bezeichnet eine Gruppe von Bakterien, die verschiedene gemeinsame Merkmale aufweisen. Viele Milchsäurebakterien sind Bestandteil der normalen Bakterienflora des Menschen und scheinen mitverantwortlich für wichtige Abläufe im Körper zu sein. Zum Beispiel für die Barrierefunktion der Schleimhäute, die Immunabwehr oder verschiedene Stoffwechselprozesse. Dabei können Milchsäurebakterien im Allgemeinen die Gesundheit und das Wohlbefinden fördern und darüber hinaus auch zur Behandlung einer Vielzahl von verschiedenen Krankheitsbildern eingesetzt werden (1).

Was sind Milchsäurebakterien?

Milchsäurebakterien sind meist stäbchen- oder kugelförmige, grampositive Bakterien, die in einer sauren Umgebung überleben können. Zurzeit werden sechs Familien der Ordnung der Lactobacillales zugerechnet. Zu den wichtigsten Familien gehören dabei die Lactobacillacea, die Enterococcaceae und die Streptococcaceae. Alle Milchsäurebakterien verstoffwechseln verschiedene Zuckermoleküle, wie beispielsweise Milchzucker, zu Milchsäure sowie anderen organischen Säuren oder Alkohol. Dieser gemeinsame Stoffwechselweg wird auch als Milchsäuregärung bezeichnet. Milchsäurebakterien sind in der Regel nicht krankheitserregend und gehören zur normalen Bakterienflora des Menschen (2).

Milchsäurebakterien konkurrieren mit anderen Bakterien um ihren Lebensraum, so beispielsweise im menschlichen Darm, wo sie auch schädliche Bakterien verdrängen können. Aus diesem Grund besitzen Milchsäurebakterien verschiedene antimikrobielle Eigenschaften, welche es ihnen ermöglichen, sich gegen andere Mikroorganismen durchzusetzen. Eine wichtige Rolle spielen Milchsäurebakterien in der Lebensmittelindustrie, wo sie zur Herstellung von Milchprodukten, wie Joghurt oder Käse, sowie zur Herstellung anderer fermentierter Lebensmittel eingesetzt werden (3). Für den Menschen wichtige Vertreter der Milchsäurebakterien sind zum Beispiel Lactobacillus acidophilus, Lactobacillus casei, Lactobacillus helveticus, Lactobacillus delbrueckii ssp. bulgaricus, Lactobacillus crispatus, Streptococcus thermophilus, Enterococcus faecium und Enterococcus faecalis.

Vorkommen von Milchsäurebakterien

Milchsäurebakterien sind weit verbreitete Bakterien, die sich in der Umwelt zum Beispiel in sich zersetzendem Pflanzenmaterial oder im Abwasser, aber auch in zahlreichen Nahrungsmitteln, wie beispielsweise Milchprodukten, fermentierten Fleisch- oder Fischprodukten, Gemüse, Früchten oder Säften finden. Bei Tieren und Menschen besiedeln die Milchsäurebakterien vor allem die Schleimhäute des Magen-Darm-Traktes, der Mundhöhle und des Vaginaltraktes bei Frauen (2).

Milchsäurebakterien im menschlichen Darm

Bei Geburt befinden sich im Darm der Neugeborenen noch keine Bakterien, zu diesem Zeitpunkt ist der Darm des Menschen noch steril. Jedoch sehr schnell, mit der ersten Nahrungsaufnahme, beginnen verschiedenste Bakterien, darunter auch die Milchsäurebakterien, den Darm zu besiedeln (4). Die Zusammensetzung der Bakterienflora im Darm unterliegt während der ersten Lebensjahre starken Veränderungen und weist im Erwachsenenalter große Unterschiede zwischen einzelnen Individuen auf. Trotz der verschiedenen Bakterienarten welche die Darmflora besiedeln können, findet sich bei den meisten Menschen eine große Ähnlichkeit in den verschiedenen Stoffwechselprozessen der Bakterien. Dies wird auch als funktioneller Kern des menschlichen Mikrobioms bezeichnet. Dieser funktionelle Kern scheint grundlegend wichtig für die Gesundheit des Menschen zu sein (6).

Bedeutung für den Menschen

Die Vorstellung, dass der menschliche Darm von Millionen Mikroorganismen wie den Milchsäurebakterien bewohnt wird, mag zunächst etwas befremdlich erscheinen. Es hat sich allerdings gezeigt, dass die Bakterienwelt im menschlichen Darm eine Vielzahl an wichtigen Aufgaben übernimmt. Dazu zählen grundlegend wichtige Körperfunktionen, von der Verdauung verschiedener Nahrungsbestandteile über die Immunabwehr bis hin zur Beeinflussung von Stoffwechselvorgängen. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse weisen sogar auf eine wichtige Rolle des Darmmikrobioms bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen, Stoffwechselerkrankungen oder neuropsychiatrischen Krankheitsbildern, wie beispielsweise Autismus Spektrum Störungen, hin (5). Damit können Milchsäurebakterien zur Vorbeugung und Therapie vieler verschiedener Krankheitsbilder eingesetzt werden, zum Beispiel bei Magen-Darm-Infektionen und Störungen der Funktion des Verdauungstraktes, zur Unterstützung des Immunsystems, bei Allergien, bei vaginalen Infektionen und auch bei entzündlichen Erkrankungen, wie beispielsweise chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (6).

Was sind Probiotika?

Probiotika sind Arzneimittel oder Zusatzstoffe die lebensfähige Mikroorgansimen enthalten. Diese Mikroorganismen können die Gesundheit und das Wohlbefinden fördern und zur Vorbeugung und Therapie verschiedener Krankheitsbilder eingesetzt werden. Bereits seit mehr als einem Jahrhundert werden Probiotika zur Therapie verschiedener Erkrankungen eingesetzt. Zu den Probiotika gehören nicht nur Milchsäurebakterien, sondern auch Bifidobakterien, Bakterien wie Escherichia coli oder medizinische Hefen, wie beispielsweise Saccharomyces boulardii. In Deutschland unterliegen Probiotika bestimmten gesetzlichen Sicherheitsbestimmungen und werden meist als Kombinationspräparate angeboten, die verschiedene, für bestimmte Zwecke abgestimmte, Bakterienarten enthalten. Obwohl Probiotika für gewöhnlich als ungefährlich für den Menschen gelten, kann deren Einnahme in seltenen Fällen zu Infektionen im Körper führen. Hiervon sind in erster Linie schwer kranke oder abwehrgeschwächte Patienten betroffen. In diesen Fällen sollte vor Einnahme von Probiotika der behandelnde Arzt kontaktiert werden.

Wirkmechanismus von Probiotika

Die grundlegende Idee beim Einsatz von Probiotika ist eine positive Beeinflussung der bestehenden Bakterienflora des Menschen. Viele Probiotika wie etwa die Familie der Milchsäurebakterien können das Wachstum von krankheitserregenden Bakterien hemmen, antimikrobielle Wirkstoffe produzieren, die Schleimhautbarriere unterstützen, zur Stärkung der Immunantwort beitragen und entzündliche Prozesse im Körper dämpfen. Zusätzlich können verschiedenste Probiotika auch Stoffwechselvorgänge im Körper beeinflussen und dadurch zum Beispiel bestimmte Blutfettwerte senken.