Lactobacillus helveticus

Lactobacillus helveticus ist ein stäbchenförmiges, grampositives Bakterium und ist Mitglied der Familie der Milchsäurebakterien. Es verstoffwechselt in einem Vorgang, der auch Gärung oder Fermentation genannt wird, Milchzucker zu Milchsäure. Durch die entstehende Milchsäure verursacht L. helveticus eine Ansäuerung seiner Lebensumgebung. Lactobacillus helveticus findet in erster Linie Anwendung in der Lebensmittelindustrie und kann in fermentierten Lebensmitteln nachgewiesen werden. Darüber hinaus kann L. helveticus auch aus dem Verdauungstrakt und Genitaltrakt beim Menschen isoliert werden (1).

Funktion im Körper

Vorkommen und Bedeutung von Lactobacillus helveticus

Lactobacillus helveticus kann vor allem in fermentierten Lebensmitteln nachgewiesen werden. Das Milchsärebakterium wird in erster Linie als Starterkultur bei Käsesorten, die aus Italien oder der Schweiz stammen, verwendet. Zu diesen Käsesorten gehören beispielsweise Grana Padano, Provolone, Emmentaler oder Gruyere. Auf Grund seiner Herkunft erhielt das Bakterium den Namen L. helveticus, welcher sich von "Helvetia" ableitet und die lateinische Bezeichnung für das Gebiet der heutigen Schweiz darstellt. Beim Menschen findet sich das Bakterium zeitweise im Magen-Darm-Trakt sowie dem Genitaltrakt, ohne sich jedoch dauerhaft dort anzusiedeln (1).

Medizinische Bedeutung Lactobacillus helveticus

Lactobacillus helveticus wird im Allgemeinen als sicher betrachtet und ist normalerweise nicht krankheitserregend. Tatsächlich besitzt das Bakterium sogar verschiedene antimikrobielle Eigenschaften und kann in Folge dessen auch schädliche Erreger aus seiner Umgebung zurückdrängen und diese angreifen (1).

Positive Eigenschaften von Lactobacillus helveticus sind:

  • Produktion von antimikrobiellen Wirkstoffen, wie beispielsweise Bacteriocine gegen schädliche Keime (2)
  • Verstoffwechselung von Milchzucker zu Milchsäure und daraus folgend Ansäuerung der Umgebung (2)
  • Fähigkeit Proteine zu spalten und Produktion von sogenannten bioaktiven Proteinen, die in der Lage sind, biologische Prozesse zu beeinflussen (2)
  • Beeinflussung und Stabilisierung einer gesunden Bakterienflora im Darm (3)
  • Beeinflussung und Aktivierung des Immunsystems (4)
  • Abschwächung von Entzündungsreaktionen durch antientzündliche Wirkung (4).

Negative Eigenschaften von Lactocobacillus helveticus sind:

Das Milchsäurebakterium Lactobacillus helveticus kann unter normalen Umständen keine Krankheiten verursachen. Dennoch kann es in sehr seltenen Fällen beim Menschen zu Infektionen führen. Besonders anfällig für solche Infektionen sind Menschen mit schweren Erkrankungen oder von einer Schwächung des Immunsystems betroffene Menschen (5).

Mangel an L. helveticus Stämmen und Folgen

Lactobacillus helveticus kann die Vielfalt und Vitalität der Bakterienflora beim Menschen positiv beeinflussen. Dabei kann das Milchsäurebakterium unter anderem die Balance zwischen gesundheitsförderlichen und schädlichen, also krankheitserregenden Keimen im Mikrobiom des Darmes fördern und zum Erhalt dessen beitragen. Negative Auswirkungen einer unausgeglichenen Darmflora können unter anderem die Begünstigung einer Gewichtszunahme, Störungen der Funktion und Aktivität des Verdauungssystems oder eine erhöhte Anfälligkeit für Magen-Darm-Infektionen durch schädliche Keime sein.

Eine Aufschlüsselung der Bakterien, die in der Darmflora enthalten sind, kann über eine Stuhlanalyse gewonnen werden. Dabei wird der Stuhl im Labor auf Bakterien untersucht.

Darüber hinaus kann L. helveticus auch in der vaginalen Schleimhaut zu einer Stabilisierung des vaginalen Milieus führen und die Barrierefunktion der Schleimhaut verbessern. Dadurch kann das Bakterium unter anderem der Entwicklung von Infektionen entgegenwirken. Eine Alkalisierung, also die Zunahme des vaginalen pH-Wertes, kann auf einen Mangel an Milchsäurebakterien hinweisen.

Verwendung von L. helveticus Stämmen in der Medizin

Probiotisch wirksame Lactobacillus helveticus Stämme können sich positiv auf die Gesundheit auswirken und für die Behandlung verschiedener Krankheitsbilder verwendet werden. Aktuell sind die vorbeugenden und therapeutischen Effekte der probiotisch wirksamen L. helveticus Stämme Gegenstand vieler wissenschaftlicher Studien.

  • Vorbeugung und Therapie von Infektionen

L. helveticus kann sowohl in vitro im Labor als auch in vivo krankheitserregende Keime bekämpfen. So konnte L. helveticus beispielsweise Mäuse vor einer Infektion mit dem Bakterium Salmonella Thyphimurium schützen (6). Beim Menschen kann die Einnahme von L. helveticus bei verschiedenen Durchfallerkrankungen zu einer Linderung der Symptome führen, die Krankheitstage verkürzen oder sogar der Entwicklung bestimmter Infektionen entgegenwirken (7). Studien liefern Hinweise darauf, dass eine Antibiotikatherapie zur Behandlung des Bakteriums H. Pylori besser wirksam und verträglich ist, wenn zusätzlich Probiotika, wie beispielsweise L. helveticus eingenommen werden (7). Darüber hinaus kann L. helveticus in Kombination mit anderen Milchsäurebakterien der Entstehung von chronischem Durchfall nach Einnahme von Antibiotika, verursacht durch das Bakterium C. difficile, verhindern (7). Auch bei Infektionen der oberen Atemwege kann L. helveticus positive Therapieeffekte erreichen. So wurde in einer Studie von Wissenschaftlern aus Serbien gezeigt, dass die Einnahme von L. helveticus die Dauer von Infektionen des oberen Respirationstraktes bei Leistungssportlern verringern kann (7).

  • Therapie von Allergien

L. helveticus kann zur Linderung der Symptome bei allergischen Erkrankungen beitragen. Studien zeigen, dass die regelmäßige Aufnahme von probiotischen L. helveticus Stämmen bei Kindern, welche an atopischer Dermatitis (Neurodermitis) leiden, zu einer Verbesserung der Symptomen und der Lebensqualität beitragen (7).

  • Behandlung des Reizdarmsyndroms

Probiotische L. helveticus Stämme können in Kombination mit anderen Milchsäurebakterien Beschwerden bei einem bestehenden Reizdarmsyndrom abmildern. So kann bei Patienten mit Reizdarmsyndrom eine Therapie mit L. helveticus eine Verbesserung verschiedener Symptome, wie beispielsweise Bauchschmerzen oder Blähungen, bewirken und die Stuhlfrequenz normalisieren (7).

  • Behandlung von Bluthochdruck

L. helveticus ist in der Lage Proteine herzustellen, die ein, für die Blutdruckregulation wichtiges Enzym, hemmen können. Daher kann die Zuführung von L. helveticus fermentierte Milchprodukte eine milde Senkung des Blutdruckes bewirken und damit eine antihypertensive Therapie unterstützen (7)

  • Unterstützung des Immunsystems

L. helveticus kann das Immunsystem unterstützen und damit helfen, Infektionen vorzubeugen. In einer tierexperimentellen Studie an Mäusen führte die Einnahme von probiotischen Lactobacillus helveticus Bakterien zu einem Anstieg von speziellen Antikörpern sowohl im Blut als auch im Stuhl. Diese speziellen Antikörper der Klasse IgA sind wichtig für die Immunabwehr der Schleimhäute (8). Inwieweit diese Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, muss in weiteren experimentellen und klinischen Studien untersucht werden.

  • Unterstützung des Calcium-Stoffwechsels

L. helveticus kann den Calcium-Stoffwechsel beim Menschen positiv beeinflussen. Der tägliche Verzehr eines Lactobacillus helveticus haltigen Joghurts kann zu einem Anstieg der Calciumwerte im Blut führen. Darüber hinaus kann die Einnahme von L. helveticus haltiger Milch bei Frauen nach der Menopause eine Verringerung des, den Knochenabbau fördernden, Hormons Parathormons bewirken (9).

  • Unterstützung der mentalen Gesundheit

Die Anwendung eines Probiotikums, das zusätzlich zu Bifidobacterium longum auch L. helveticus enthält, wirkt sich positiv auf die psychische Gesundheit aus und kann depressions- und angstbezogene Symptome bessern (10). Darüber hinaus scheint der Verzehr von L. helveticus fermentierter Milch zu einer Verbesserung der Schlafqualität und einer Verringerung der Wachphasen bei älteren Menschen zu führen (6).

Einsatz von L. helveticus Stämmen als Probiotika

Probiotische Lactobacillus helveticus Stämme werden häufig mit anderen probiotisch wirksamen Bakterien kombiniert und werden in verschiedenen Darreichungsformen und Produkten angeboten. Häufig ist L. helveticus auch in fermentierten Lebensmitteln enthalten, insbesondere in Käsesorten, die aus der Schweiz oder Italien stammen.

Probiotische Lactobacillus helveticus Stämme stehen zur Verfügung als:

      • Milchprodukte, vor allem bestimmte Käsesorten
      • Pulver zum Auflösen
      • Fluid
      • Magensaftresistente Kapseln

In Deutschland werden Probiotika als Arzneimittel oder Zusatzstoffe verkauft, die jeweils gesetzlichen Sicherheitsbestimmungen unterliegen. Die Anwendung von Probiotika sollte über einen längeren Zeitraum erfolgen. Dabei wird im Allgemeinen eine Anwendungsdauer von mindesten acht Wochen empfohlen. Bevor Sie mit der Einnahme von probiotischen Bakterienstämmen beginnen, ist es sinnvoll, mit Ihrem Arzt über die geplante Therapie zu sprechen. Dabei sollten vor allem die Behandlungsdauer und Art der Anwendung angesprochen werden. Beim Vorliegen schwerer Erkrankungen oder beim Bestehen einer Immunschwäche, sollten Sie sich im Vorfeld der Therapie ebenfalls von Ihrem behandelnden Arzt beraten lassen.

Quellen

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Lactobacillus_helveticus
(2) Giraffa Giorgio, Lactobacillus helveticus: importance in food and health, Frontiers in Microbiology, Volume 5, 2014, Pages 338-339.
(3) Slattery, L. et al, Invited review: Lactobacillus helveticus--a thermophilic dairy starter related to gut bacteria, Journal of Dairy Science, Volume 93 , Issue 10 , 2010, 4435 - 4454.
(4) Strahinic, Ivana et al. "Technological and Probiotic Potential of BGRA43 a Natural Isolate of Lactobacillus Helveticus." Frontiers in Microbiology 4 (2013): 2.
(5) Ellie J. C. Goldstein, Kerin L. Tyrrell, Diane M. Citron; Lactobacillus Species: Taxonomic Complexity and Controversial Susceptibilities, Clinical Infectious Diseases, Volume 60, Issue suppl_2, 15 May 2015, Pages S98-S107.
(6) Taverniti, Valentina, and Simone Guglielmetti. "Health-Promoting Properties of Lactobacillus Helveticus." Frontiers in Microbiology 3 (2012): 392.
(7) L. Foster, T. Tompkins, and W. Dahl, A comprehensive post-market review of studies on a probiotic product containing Lactobacillus helveticus R0052 and Lactobacillus rhamnosus R0011, Beneficial Microbes 2011 2:4, 319-334.
(8) Danica Michalickova, Rajna Minic, Nenad Dikic, Marija Andjelkovic, Marija Kostic-Vucicevic, Tamara Stojmenovic, Ivan Nikolic, Brizita Djordjevic, Lactobacillus helveticus Lafti L10 supplementation reduces respiratory infection duration in a cohort of elite athletes: a randomized, double-blind, placebo-controlled trial, Applied Physiology, Nutrition, and Metabolism, 2016, 41:782-789.
9) Vieira, Angélica T. et al. "Influence of Oral and Gut Microbiota in the Health of Menopausal Women." Frontiers in Microbiology 8 (2017): 1884.
(10) Michaël Messaoudi, Nicolas Violle, Jean-François Bisson, Didier Desor, Hervé Javelot & Catherine Rougeot (2011) Beneficial psychological effects of a probiotic formulation (Lactobacillus helveticus R0052 and Bifidobacterium longum R0175) in healthy human volunteers, Gut Microbes, 2:4, 256-261